27 | Reportage des VDK. „Das Seminar hat mir die Bestä- tigung gegeben, dass es richtig ist, Florian seinen Weg gehen zu lassen. Das hat mir sehr geholfen, Florian loszulassen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.“ Sie selbst ist sich also sicher, das Rich- tige zu tun, aber sie spürt, dass Florian den Schritt, auszuziehen, noch nicht ge- hen kann. „Ich habe lange nicht erkannt, dass er Ängste hatte, mit dem Umzug in die Wohngruppe nicht mehr Teil der Fa- milie zu sein.“ Viele Gespräche helfen und ermutigen Florian. Schließlich erlebt er, dass es als Kind ganz normal ist, die Familie zu verlassen: 2006 zieht seine jün- gere Schwester aus dem Elternhaus aus. Ein Jahr später ist auch Florian für die- sen Schritt bereit. Er zieht in das Emmy- Schuster-Haus. Mit 27 Jahren beginnt für ihn ein neuer Lebensabschnitt genauso wie für seine Mutter: „Ich habe die erste Zeit, als die Kinder ‚aus dem Haus’ wa- ren, so richtig genossen. Ich hatte wieder mehr Zeit für mich, war nicht mehr so ei- nem festen Tagesablauf unterworfen, so wie es für Florian einfach notwendig war.“ Auch wenn die Entscheidung für den Um- zug von Florian ins Emmy-Schuster-Haus lange vorbereitet gewesen ist und sich die gesamte Familie intensiv mit der Situation auseinander gesetzt hat, keimen am An- fang Sorgen und Skepsis auf: „Klar, hatte ich zunächst ein mulmiges Gefühl. Fühlt sich Florian wirklich wohl? Wie kommt er mit seinen Mitbewohnern aus? Schafft er das alles?“ Die Sorgen der Eltern, ihre Bedenken, wirklich das Richtige mit dem Sohn entschieden zu haben, scheinen sich zunächst zu bewahr- heiten. Die Einge- wöhnung läuft nicht reibungslos. Flori- an hat ein Doppelzimmer bezogen und fühlt sich dort nicht sehr wohl. „In dieser schwierigen Situation habe ich dann er- lebt, dass in dem Haus eine sehr offene Atmosphäre herrscht. Wir haben mit den Mitarbeitern gesprochen und gemeinsam nach einer Lösung gesucht.“ So findet man für Florian einen Platz in einer an- deren Wohngruppe, in der er sich von An- fang an wohlfühlt. Florian wächst an der neuen Situation. Er nimmt Dinge selbst in die Hand, die ihm zu Hause von seiner Mutter abgenommen wurden. „Florian hat sich, seitdem er ausgezogen ist, sehr gut entwickelt. Er hat mehr Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit gewonnen. Das tut ihm gut“, erzählt Brigitte Feistl mit Stolz. Alle zwei Wochen besucht Florian seine Eltern. „Da will er dann immer ganz ge- nau wissen, was hier passiert ist, er fragt nach Freunden und Verwandten und freut sich, wenn Familienfeste anstehen. Aber ich spüre auch, dass sein Leben jetzt im Emmy-Schuster-Haus ist. Er freut sich, wenn es am Sonntagabend wieder zurück in die Aventinstraße geht. Das ist gut so und es beruhigt mich für die Zukunft zu wis- sen, dass Florian im Emmy-Schuster-Haus ein Zuhause gefunden hat.“ In Stadt und Landkreis Rosenheim leben rund 20.000 Menschen mit Behinderung.